Navigation

Traum.Landschaften

1998 bewarb ein deutscher Autobauer einem smarten Kleinstwagen mit dem Werbe-Claim

Reduced to the max

Ein Werbespruch mit beachtlichem Tiefgang. Etwas wird reduziert nicht auf ein Minimum, sondern auf das Maximale.

Und genau das erleben wir hier in dieser Ausstellung. Reduziert auf ein Maximum – was aber nicht gleichbedeutend ist mit „Weniger ist mehr!“

Reduktion, um ein Maximum an Aussage erzielen. Reduktion bis hin zum Symbol.

Die Arbeiten von Michaela Geissler, von Florian Geissler und von Herbert Muckenschnabl – so grundverschieden die Werke dieser Ausstellung auch sind, ihr gemeinsamer Nenner, was sie vereint, ist die Reduktion.

Reduktion heißt, etwas Komplexes zu vereinfachen und sich so dem Ursprung einer Idee, einer Form, einem Wesen, dem Wesentlichen zu nähern. Details gehen dabei verloren, dafür werden Größen und Gegenstände vergleichbar.

In der Konzentration, in der Beschränkung – besser, in der Besinnung – auf das Typische, das Charakteristische wird das Wesentliche, dieses Wesen sichtbar.

Michaela Geissler und Florian Geissler arbeiten mit den vier Elementen. Ihre Plastiken –überwiegend in Keramik, hin und wieder in Bronze – entstehen im Zusammenspiel von Wasser, Feuer, Luft und Erde.

Der Ton ihrer Keramiken stammt aus Niederbayerischem Boden. Daraus entstehen in einem Schöpfungsprozess Körper, Torsi, Gestalten, Figuren. Scheinbar einfache, archaische Plastiken, die nicht selten an prähistorische Bildnisse erinnern.

Die überschlanken und in extreme Höhe getriebenen Keramikfiguren von Michaela Geissler muten an wie Götterstatuen, Bildnisse von Herrscherinnen oder Wächterfiguren.

Man findet Themengruppen wie Engel und Boten, Figuren im Liegen und Sitzen.

Ihre Stelen bearbeiten Themen, die jeden von uns in seinen Träumen beschäftigen: Wie hoch kann ich wachsen, ohne die Balance zu verlieren, ohne zu fallen?

Und wie ist das Verhältnis der einzelnen Figuren zueinander? Wie und wo positionieren ich mich in Gemeinschaft und in der Gesellschaft? Abgrenzend? Integrierend?

Einige ihrer immer hehr und erhaben wirkenden Keramiken bekamen die Bezeichnung Engel. Mehr oder minder zufällig, sagt sie. Mit dem Wort „Wächter“ kann sie gut leben. Und sie verweist auf ihren Vornamen, der sich vom Erzengel Michael ableitet.

Bemerkenswert: Bei aller Reduktion und allem Streben in extreme Höhe, ist immer wieder der Versuch zu sehen, den Körpern eine Bewegtheit zu verleihen. Wie weit kann man die Körper aus ihrer Mittelachse rücken? Wie weit lässt sich die Statik ausreizen – was mitunter eine tänzerische Eleganz zum Ergebnis hat.

Die hohen Figuren sind meist aus drei Teilen zusammengesetzt, Teile, die separat gebrannt werden müssen. Das erfordert hohe Materialkenntnis, denn durch den Brennvorgang schrumpfen die rohen geformten Segmente um acht bis zehn Prozent.

Die radikale Reduktion in der Formgebung geht einher mit einer behutsam gewählten und ebenfalls sehr zurückgenommenen Farbfassung. Im Zusammenspiel mit der Schattenwirkung – die Oberflächenstruktur wird fast ausschließlich von Hand und ohne Hilfsmittel oder Werkzeuge gestaltet – wirken die Keramiken aber keineswegs monochrom oder gar monoton – je nach Tageszeit, je nach Lichtverhältnis – je nach Stimmung und Verfassung des Betrachters – ändern die Geschöpfe ihren Charakter.

Generell – und das gilt auch für die Arbeiten von Florian Geissler – wen und was die Keramiken darstellen, diese Aufgabe fällt allein den Betrachtern zu.

Welches Geschlecht hat diese Figur? Welches jene?

Ich habe beim ersten Vorgespräch Michaela Geissler gefragt, was sie mit den Auslassungen in einigen ihrer Körperfiguren aussagen will. Sitz der Seele? Betonung der Gefühlsebene?

Ihre verblüffende Antwort: Nein, zum einen sind diese Freilassungen der Gewichtigkeit, der Statik geschuldet und ihrem Ausreizen, zum anderen findet sie es schön, wenn man durch eine Figur hindurch die Natur sehen kann, die fließende Donau etwa. Und besonders schön findet sie es, was schon vorgekommen ist, wenn sich darin Vögel und Insekten ihre Nester bauen. Bevorzugt platziert sie ihre Traumgestalten in der Landschaft, mit dem Blick auf einen See oder in ein Tal.

Arbeiten von Michaela Geissler befinden sich im Japanischen Garten der LBS Hannover, im Spitalgarten Vilsbiburg, am Jahnplatz und an der Nibelungenbrücke in Plattling sowie am Zürichsee. `

Zur Info: Die Plastiken von Michaela Geissler und Florian Geissler sind wetterfest, klimabeständig und eine Zierde in jedem Garten.

Unverkennbar! Keramikkunst von Michaela Geissler ist unverwechselbar.

Gleichermaßen hat die Keramikkunst von Florian Geissler ihre Unikat-Stellung.

Vollständige Körper obwohl auf die Ausformulierung von Gliedmaßen verzichtet wird.

Ein Nimbus, wo der Kopf sitzen sollte.

Ein Rumpf in der Bewegung festgehalten.

Seit vielen Jahren beschäftigt sich der Künstler dem Thema „Traum“.

Seine Themenkomplexe „Wächter“, „Idole“, „Traumbüsten“, „Torsi“ und „Tore“ sind ausformuliert in Figurengruppen und Einzelstücken. Auch seine Materialien sind Keramik und Bronze.

Malerei und Skulptur vereinigen sich.

Farblich hell gefasst erscheint eine Figur freundlich, die dunkel Getönte geheimnisvoll und mysteriös. Beim Nähertreten schon kann sich dieser Eindruck ins Gegenteil verkehren, Und am anderen Tag betrachtet, ergibt sich vielleicht schon wieder ein völlig neues Bild. Florian Geisslers Figuren wechseln das Geschlecht und drehen uns eine Nase. Eine Nase, die gestern noch gar nicht da war. Eine Nase, die wir gestern einfach nicht gesehen haben. Und die morgen nicht mehr da ist.

Eine der jüngsten Arbeiten von Florian Geissler ist der Phönix. Der wiedergeborene mythische Vogel, der am Ende seines Lebenszyklus verbrennt und stirbt, um aus dem verwesenden Leib oder aus seiner Asche wieder neu zu erstehen. Der Zyklus des Zusammenspiels von Feuer, Wasser, Luft und Erde äußert sich hier nicht nur im Entstehungsprozess, sonder frappant auch im Motiv selbst! Wir sehen hier seinen kleinsten Phönix, weitere sind aktuell in Arbeit.

Die Schwingen sind reduziert auf versetzt gestellte Rechtecke, Körper und Kopf ein keilförmiges Gebilde. Reduktion, fast bis hin zur Abstraktion.

Arbeiten des Künstlers im Freien findet man unter anderem bei der Munich Re in Salamanca, in der VHS-Passage in Vilsbiburg und in den italienischen Themengärten der LBS Hannover.

Archetypen sind auch die Traumlandschaften von Herbert Muckenschnabl.

Das hab ich doch schon mal gesehen.
Steht dieses Gehöft nicht dort oder da?
Diese Landschaft, die ist eindeutig hier oder dort zu lokalisieren!

Nein! Es handelt sich in der Tat um Traumlandschaften. Ideal-Landschaften, die man so nicht mehr oder kaum mehr findet.

Der Künstler hat in dieser Ausstellung bewusst darauf verzichtet, Bilder mit einer Figurenstaffage zu zeigen. Szenen mit Personen und Familien, Gartenmotive und Skizzen aus dem Leben in der Stadt – das sei dediziert hervorgehoben – gehören gleichermaßen zu Muckenschnabls Œuvre.

Hier aber beschränkt er sich auf die Präsentation von Landschaften. Ölgemälde, kolorierte Radierungen und Zeichnungen.

Farbfelder mit kräftigen schwarzen Konturen, überlegt aneinander gereiht zu Waldstücken, Ausblicken auf Hügelketten und Gehöfte – einen Muckenschnabl erkennt man auf den ersten Blick. Differenzierte Raumaufteilung und geometrische Führung sind sein Markenzeichen.

Strengen Strukturen ohne Schnörkel. Meisterwerke der Reduktion!

Der Künstler formuliert eine Utopie. Seinen Wunsch nach einer Natur, die nicht durch Silotürme, Agrarfabriken – zornig spricht er von Kolchosen-Anlagen – verstellt, verschandelt und verunstaltet ist.

Seine Landschaften sind Wunschlandschaften. Idyllen. So wie die Romantiker mit stillen Mondnächten, einer Rast an der Waldquelle und der unheimlichen Schönheit der Natur gegen politische Umbrüche und ökonomische Umwälzungen ansingen, gegen die Wirren der napoleonischen Zeit, gegen Arbeitsteilung, Entfremdung, gegen die Auswüchse und Verelendung durch die beginnende Industrialisierung.

Der Erfolg und die Popularität Muckenschnabls liegt aber nicht allein in seinen traumwandlerischen Gegenentwürfen zu einer sich zunehmend beschleunigenden Welt.

Die Gefühle, die Muckenschnabls Bilder hervorrufen, sind durchweg positiv: Friede, Ruhe, Ordnung. Der Künstler macht es sich nicht leicht. Seine Traumlandschaften sind das Ergebnis eines langen Gedanken- und Gestaltungsprozesses, den der Betrachter bei intensiverem Hinsehen auch nachvollziehen kann.

Seine Kritik ist nicht vordergründig und sie erschließt sich auf einer zweiten Ebene: Wenn uns seine Weltentwürfe daran erinnern, wie etwas sein könnte, wenn sie uns aufzeigen, dass etwas fehlt und dass etwas unwiederbringlich zerstört worden ist.

Wiebke, Lothar, Kyrill, Emma, die Dürreperioden 2003 und 2018, auch diese Umwälzung – im wahrsten Sinn des Wortes –, thematisiert Mukenschnabl. In hinreißenden Kohle- und Tuscheskizzen von Baumskeletten, die verblüffend an japanische Kalligrafie erinnern.

Ein paar wenige farbige Flächen, Striche, kräftige Konturen:
Wenn es stimmt, dass Heimat mehr eine Zeit als ein Ort ist, dann dürfen wir uns im Muckenschnabls Traumlandschaften daheim fühlen.

Ich bitte sehr, diesen plumpen Vergleich zu verzeihen, aber meine erste Begegnung mit Bildern von Herbert Muckenschnabl versetzte mich in Kindertage zurück. Seine Malerei erinnerte mich an damals, als es galt Martins-Laternen zu basteln: Einfache Formen aus schwarzem Tonpapier geschnitten, dahinter buntes Transparentpapier geklebt, das durch eine Kerze zum Leuchten gebracht wurde.

Wenngleich Muckenschnabl ungleich feiner, fein ausdifferenziert und mit komplexen Perspektiven zu Werke geht, seine Bilder sind Laternen. Sie leuchten!

Reduktion. Vereinfachte Darstellungen, die dennoch erlauben Details zu erkennen und in die Bildwerke zu projizieren. Diese Ausstellung ist eine Einladung, wach und mit offenen Augen auf Entdeckungsreise in Traum.Landschaften zu gehen.

_ _ _